Dienstag, 24. Januar 2012

2. Etappe: von Beutelsbach nach Waldhausen

Wegverlauf:
Beutelsbach – Schnait – Engelberg – Schorndorf – Schönblickhütte – Dragonerhütte – Rehhaldenhütte - Waldhausen

Weglänge: 34,5 km

Karte: F521 Göppingen Freizeitkarte 1:50.000


Einen Tag später (also letzten Samstag) also wollte ich laufen obwohl die Wettervorhersage nicht besonders gut war. Ich nahm gleich meinen Stockschirm mit, nicht den kleinen Knirps. Als ich aufwachte war es draußen weiß Und ich sollte mich noch sehr wundern über das Wetter. Eigentlich wäre im Nachhinein betrachtet besser gewesen am Freitag zu laufen. Aber dafür habe ich echt ein Abenteuer erlebt und das war es wert.

Mit der S-Bahn wollte ich nach Endersbach und von dort mit dem Bus nach Schnait und dort wieder auf den Remstalhöhenweg. Aber in der S-Bahn habe ich mich spontan umentschlossen, kurz vor Endersbach, als ich entdeckte, dass die Firma für den Beutelsbacher Saft in diesem Ort und nicht in Beutelsbach steht, blieb ich einfach sitzen. Warum sollte ich nicht den gleichen Weg von Beutelsbach nach Schnait laufen? Bisher habe ich das bei Fernwanderwegen immer so gemacht: genau dort wieder anfangen wo ich aufgehört hatte. Und jetzt plötzlich mit dem Bus nach Schnait? Nein, das ging einfach nicht. Wenn schon, dann richtig und was sind schon 2-3 Kilometer mehr?

Gleich in Beutelsbach brauchte ich den Schirm und habe ihn während des gesamten Tages nur selten zu gemacht. Den Weg ging ich ohne auf Wegzeichen oder meine Karte zu achten, damit alles noch im Kopf geblieben ist wo ich welchen Weg genommen hatte. In Schnait dann komplett durch den Ort durch, dann den Weinberg hoch. 2 Zentimeter Schnee und zwar gut mit Wasser versetzt ohne richtig matschig zu sein. Sehr anstrengend zum Laufen und gleich den Berg hoch. Ein paar Meter weiter waren es schon 4 Zentimeter. Na ob ich es da bis Plüderhausen schaffen würde wie ich es mir vorgenommen hatte? Vielleicht muss ich ja doch in Schorndorf aufhören.

Und dann fielen mir im Schnee Spuren von einem Hund auf. Aber wo waren die dazugehörigen Menschenspuren? Oder doch Katzenspuren? Nein, bei dem Wetter gehen Katzen nicht raus, schon gar nicht in die Weinberge. Ein paar Augenblicke später sah ich 20m vor mir den wahren Grund: ein junger Fuchs! Er schaut mich neugierig an, ein bisschen verängstigt und huscht seitlich den Hang runter, weg von mir. Ich habe tatsächlich einen Fuchs gesehen. Faszinierend. Auf meinen Wanderungen habe ich schon 3 Füchse gesehen, aber jedes Mal bin ich von Neuem begeistert. Einen Fuchs sieht man nicht so oft. Und es sind schön Tiere. Gleich fällt mir der Artikel ein, den ich nach der letzten Wanderung in der Schorndorfer Zeitung über die Fuchsjagd gelesen hatte mit einem Photo, auf dem 27 Füchse tot nebeneinander liegen. Lass Dich bloß nicht erlegen junger Fuchs!

Als ich den Waldrand erreiche will ich etwas trinken und dazu unter die angekündigte Hütte stehen, weil es von oben regnet. Aber ich komme nicht zu der Hütte. Das Wetter ist eine seltsame Mischung aus Schnee und Regen, der Schnee ist richtig guter Schnee, aber gleichzeitig von oben Regen und Tauwetter. Wie passt das denn zusammen? Vor der Hütte ist alles voller Wasser, ein richtiges Haus am See. Genial. Ich laufe weiter und dann in den Wald hinein und hier hat es bis zu 10 Zentimeter Schnee! Das Laufen wir anstrengend, ich wünsche mir meine Schneeschuhe her. Bei dem Wetter habe ich den Weg garantiert für mich alleine. Nur ich und die Spuren der Hundebesitzer, die hier schon morgens durchgelaufen sind. Ich trete in die Spuren einer Frau (die Fußabdrücke sind etwas kleiner, daher denke ich es war vielleicht eine Frau). Das erleichtert das Laufen, ist aber auch sehr anstrengend, weil ich mich auf die Spuren konzentrieren muss und von der schönen Schneelandschaft nicht mitbekomme. Irgendwann wechsle ich von der Storchentechnik zur Schleiftechnik. Damit komme ich viel schneller voran. Ist für die Beine sicher anstrengender, aber schneller. Ich will ja auch ein bisschen vorwärts kommen heute.

Und dann biegen sich vor mir die Äste von jungen Bäumen unter dem Gewicht des Schnees auf den Weg hinab, so dass nur ein schmaler Weg dazwischen frei bleibt. Wie im Wintermärchen.

In Engelberg, der einzigen Stadt durch die ich heute komme, wechselt es wieder zum Tauwetter, aber das kann dem Schnee nicht besonders viel anhaben. Eine unglaublich interessante Mischung dieses Wetter! Regen und Schnee im Wechsel und doch gleichzeitig vorhanden.

Also auf dieser Tour muss man wirklich alles mitnehmen, Essen und auch genug Trinken. Denn in Engelberg gibt es keinen Laden und sonst geht alles durch den Wald. Und leider gibt es auf der ersten Hälfte keine Schutzhütten, was bei diesem Wetter ziemlich unpraktisch ist. Naja, ist vielleicht nicht jeder so verrückt wie ich und läuft extra bei diesem Wetter los. Aber wenn man halt laufen will, dann will man laufen. Und dann ist auch mal das Wetter egal. In Ermangelung einer Schutzhütte und weil sich um 11 Uhr bereits mein Magen meldet setzte ich mich unter das Dach der hölzernen Bushaltestelle und verspeise dort mein erstes Salamibaguette. Ich muss selbst lachen wie ich da an der Bushaltestelle sitze und Pause mache. Wer braucht schon Alltag?

Es geht immer weiter durch den Wald. Nur kurz Winterbach und ein Staubecken gestreift, sonst nur Wald, Sehr schön. Der Schnee ist mal fast weg, mal nur 2 Zentimeter, dann in geschützten Kurven wieder volle 10 Zentimeter tief. Sehr wechselhaft. Und von den Bäumen fällt der tauende Schnee wie Bomben herab auf meinen Regenschirm. Und da mache ich mir gestern Sorgen wegen abknickenden Ästen! Ich erschrecke jedes Mal wenn ein großer nasser Klumpen auf den Schirm herunter kracht. Das macht ein Geräusch! Und es passiert so schnell, dass ich es erst bemerkte kurz bevor der Schnee auf den Schirm klatscht.

Und an den Bäumen mit glatter Rinde, meist Weißbuchen, läuft das Wasser wie in einem senkrechten Fluss herunter. Das habe ich noch nie gesehen. Wasser, das einfach so, unaufhörlich am Baumstamm herunter fließt. Ein richtiges Naturschauspiel, das ich mir lange bewundernd anschaue. Und als ich munter „Nothing else matters“ vor mich hinsinge (hier hört mich eh niemand) springen erst eins, dann zwei und schließlich ein drittes junges Reh vom Hang links hinauf, über den Weg in vollendeter Grazie rechts den Hang hinauf. Rehe, obwohl ich nicht leise durch den Wald gegangen bin. Rehe sind wunderschön wenn sie schnell durch den Wald laufen, so fein und stilvoll.

Der Weg zeigt nach Steinmäurich, es ist nicht mehr weit. Das ist direkt an der Abzweigung nach Schorndorf. Also hier höre ich bestimmt nicht auf. Es ist doch gut gelaufen mit der Kondition im Schnee. Sehr sehr gut. Ich bin stolz auf mich. Und an der Abzweigung nach Schorndorf steht auch schon das nächste Ziel der offiziell 3. Etappe angeschrieben: Rattenharz, noch 17,8km. Nur noch 17km? Also bis hierhin bin ich 17km gelaufen, also das wäre ja die Hälfte (vergessen sind die anfänglichen Überlegungen ob ich bei Schorndorf aufhöre, ich werde größenwahnsinnig). Und ich liege so verdammt gut in der Zeit. Wie lange ist es noch bis zum Sonnenuntergang? Würde passen. Und konditionell bin ich gut drauf. Oder übernehme ich mich dann? Aber morgen ist ja Sonntag und ich kann ausschlafen und ausruhen. Gefährlich, gefährlich, die Gedanken haben sich in Gang gesetzt. Nach dem Wegweiser kommt bald eine Art kleine Steinhausruine, die von der anderen Seite sich als von innen mit Holz ausgekleidete Schutzhütte erweist und nun sieht man auch, dass sie ein Dach hat. Ich setze mich und ruhe mich eine ganze Weile aus. Ich denke mir, ich kann mir das ja noch bei der Abzweigung nach Plüderhausen überlegen, ob ich wirklich bis nach Rattenharz gehe. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass unterhalb von Rattenharz Waldhausen ist und dort ein Zug abfährt. Ja und eigentlich war dort schon der Gedanke gefasst: ich werde heute über die 30km kommen und ich will es! Auch wenn ich mir immer noch das Hintertürchen Plüderhausen offen gehalten hatte. Wenn ich ehrlich bin war hier der Entschluss gefasst. Die Idee hat von mir Besitz ergriffen.

Weiter geht es wieder durch den Wald. Eine Schönblickhütte ist angeschrieben und ich freue mich schon darauf, weil ich gerne Pause machen will. Weil ich von der Idee so begeistert war bin ich nicht besonders lange in der letzten Hütte sitzen geblieben. Man kann sich bei dem Wetter auch schlecht einfach irgendwohin setzen. Alles nass und von oben noch mehr nass. Auch wenn es eigentlich schon aufgehört hat zu regnen, regnet es im Wald weiter, weil die Bäume den Schnee und die Regentropfen mit dem Wind regnen lassen. Und dann sehe ich die Hütte. Bei Sonnenschein bestimmt super: groß, quadratisch, mit einem schönen Geländer aus Waldästen, aber ohne Wände!!! Was soll ich denn bei diesem Wetter mit so einer Hütte. Und die einzigen zwei Bänke sind nass, es windet. Ich hole trotzdem mein aufblasbares Thermositzkissen heraus und setze mich darauf. Ziehe die Handschuhe und die Fliesmütze an und mach den Anorak gut zu. Immerhin ist es von oben trocken. Und ich muss mich ausruhen, sonst wird sich mein Knie wieder beschweren, wenn ich alles ohne Pause durchlaufe. Außerdem ist das nicht so gut, wenn man auf schmalen Hangwegen läuft und erschöpft ist. Das kann auch gefährlich werden. Die Ruhe tut gut und ich bleibe so lange wie möglich sitzen. Wenn man sich ein wenig einmummelt klappt das eigentlich ganz gut.
Und so geht es weiter durch den Wald. Manchmal werden aus Waldwegen regelrechte Bäche durch das Tauwetter. Ich rechne immer brav bei den Schildern mit Kilometerangaben und die Überzeugung, dass ich das heute packe wächst in mir. Und dann kommt plötzlich eine gescheite Schutzhütte: die Dragonerhütte. Ein Sechseck mit vier Wänden wie es sich gehört, die Bank komplett im Kreis und ein Holztisch in der Mitte. Hier kommt der Wind nicht rein. Wunderbar. Ich atme durch. Der Wind ist draußen teilweise sehr stark geworden. Die Hütte ist eine Wohltat. Aber ich muss weiter. Das bestätigt mir ein Blick auf die Uhr. Man läuft eben nicht mit der gleichen Geschwindigkeit am Nachmittag wie am Morgen.

Und dann komme ich an die Abzweigung nach Plüderhausen. Hier könntest Du runter und in den Zug einsteigen. Ja, hier könntest Du, wenn Du nur wolltest. Nein, ich laufe weiter! Es ist noch genügend Zeit. Allerdings läuft mir dann auf dem Waldweg irgendwann dann doch die Zeit davon und ich merke, dass bei diesem Wetter mit den dunkelgrauen Wolken die Dunkelheit schon weit vor dem Sonnenuntergang zu spüren sein wird und ich nicht bis halb sechs Zeit haben würde. (Es hilft immer zu wissen wann der Sonnenuntergang ist, besonders im Wintern. Hilfreich hierbei ist mal wieder das Internet: http://www.sonnenuntergang.de/) Ich komme an die wunderschöne Hütte der Rehhalde. Vom Albverein. Und ich sitze dort trotzdem ein bisschen draußen und merke erst beim Weggehen, dass es dort einen unverschlossenen Innenraum gibt – sogar mit Heizung! Wow, diese Ortsgruppe ist wirklich fürsorglich. Das nenne ich mal eine tolle Hütte. Und Hütte ist eigentlich untertrieben. Die hier ist groß und bewirtschaftet, man kann im Sommer draußen sitzen, Bierbänke, Spielgeräte für die kleinen und großen Kinder. Und wie ich so da sitze bemerke ich, dass die Atmosphäre dunkler wird. Vom Wald kommt in dichten Schwaden der Nebel hochgestiegen. Wie im Film. Nur echt. Faszinierend und zugegeben auch ein bisschen unheimlich. Ich laufe durch den Nebel und bin begeistert. Aber jetzt gebe ich Gas, damit ich noch bei Tageslicht in Waldhausen ankomme. Und das gelingt auch punktgenau. Kaum habe ich am Automaten meine Fahrkarte gelöst wird es auch schon dunkel. Das nenne ich Timing!

Auf den Zug aus Aalen muss ich allerdings noch über eine halbe Stunde warten. Ich bin hochzufrieden dem Abenteuer so nah an meinem Alltag.

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